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Der Bund für deutsche Schrift und Sprache e. V.

Schriftgeschichte

Der Ausdruck „Fraktur” (lateinisch: „Bruch”) besagt, daß die aus dem klassischen Altertum stammenden runden Linien der Buchstaben Brechungen erfuhren. Dieser Vorgang begann schon um 1200 n. Chr., als auch in der Baukunst die romanischen Rundbögen gotisch gebrochen wurden. Als erste Schriftgruppe entstand so in den Schreibstuben Nordfrankreichs die gotische Form. Diese hohe, schmale Schrift bildete Johannes Gutenberg noch in dem ersten Druckwerk des Abendlandes, der 42zeiligen Bibel von 1455, nach. Um 1470 erscheint dann auf deutschem Boden die zweite gebrochene Schriftgruppe: die „Schwabacher”, benannt vermutlich nach dem Ort Schwabach bei Nürnberg. Als Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung zur Entstehung einer einheitlichen Schriftsprache beitrug, gab die Schwabacher Schrift der Sprache eine vorzügliche Gestalt.

Schon 1517 tritt die Fraktur (im engeren Sinn) in das Licht der Geschichte. Zu ihren frühesten Benutzern zählt Albrecht Dürer. Mit ihren feineren Buchstaben gewinnt sie rasch Freunde im deutschen Sprachraum. Aber auch bei den östlichen und südöstlichen Nachbarn sowie in Skandinavien findet sie starke Verbreitung. Bis in das 20. Jahrhundert werden nun anfangs alle, später die weitaus meisten deutschen Texte in Fraktur gesetzt. Dies trägt ihr den Namen „deutsche Schrift” ein.

Zu den frühesten Benutzern der deutschen Schrift zählt auch Albrecht Dürer.

Der Ausdruck „deutsche Schrift” ist wahrscheinlich italienischen Ursprungs. Jedenfalls läßt sich der Begriff als „lettera tedesca” schon Ende des 15. Jahrhunderts in Oberitalien nachweisen. Gemeint ist damit die für deutsche Texte üblich gewordene Schrift, nämlich Schwabacher und Fraktur. Als bewußte Gegenschöpfung zur deutschen Schrift kommt zu dieser Zeit die Humanisten-Antiqua auf. (Antiqua bedeutet hier nichts anderes als „Altschrift”.)

In der Folgezeit schaffen die Schriftkünstler ständig neue, immer besser lesbare Frakturschriften. Doch kommt bei diesem Bemühen auch die Schönheit nicht zu kurz. So entwickelt sich die Fraktur zu einem Kunstwerk von höchster Zweckmäßigkeit. Unter der Führung bedeutender deutscher Schriftkünstler nimmt die Schriftkunst von 1895 bis 1940 einen gewaltigen Aufschwung und erreicht zwischen 1920 und 1940 ihren Höhepunkt. In dieser Zeit entstehen in Deutschland Schriftschnitte von zeitloser Gestalt und Schönheit in einmalig großer Zahl.

Vorzüge der deutschen Schrift

Die bessere Lesbarkeit einer guten Frakturschrift beruht in der Hauptsache auf vier Eigenschaften, die sie im Gegensatz zur Antiqua auszeichnen:

  • Mehr Buchstaben haben Ober- und Unterlänge. Damit ragen sie auffälliger aus dem Zeilenband heraus und werden so schneller vom Auge erfaßt.
  • Die Buchstaben unterscheiden sich überhaupt stärker voneinander und werden somit rascher bzw. sicherer gelesen.
    Die meisten Frakturschriften laufen schmaler, so daß auf einen Blick mehr Buchstaben erfaßt werden können. Dies wirkt sich besonders in deutschen Texten vorteilhaft aus, weil hier eine Silbe durchschnittlich mehr Buchstaben enthält als in den meisten anderen europäischen Sprachen.
  • Das Schluß-s zeigt durch seine auffallende Form signalhaft das Ende eines Wortes an. Kommt es innerhalb eines Wortes vor, fällt damit die Nahtstelle (Fuge) eines zusammengesetzten Wortes ins Auge. Gerade Ausländer schätzen diese Lesehilfe sehr. Bei der Fraktur kommt es immer wieder zu Wortbildern, die das Auge leichter und schneller aufnimmt als die gleichförmigen Zeilenbänder der Antiqua.
  • Wörter wie die beiden letzten Beispiele zeigen auch, wie undeutlich der Wortgehalt oft durch Antiqua und wie eindeutig er durch Fraktur wiedergegeben werden kann: Einmal ist – bei gleicher Antiqua-Schreibweise! – die Tube mit Wachs gemeint, das andere Mal die Stube der Wache.

Einige Beispiele:

Ober-, Unterlänge einiger Buchstaben:

Das „Schluß-s” markiert die Nahtstelle zwischen den Silben:

Fraktur wird vom Auge leichter und schneller aufgenommen als Antiqua:

Außerdem gibt sie den Wortgehalt eindeutiger wieder:

Das Verbot und dessen Nachwirkungen

„Warum hat man denn bei so vielen Vorzügen die Fraktur aufgegeben? Man sieht sie doch (fast) gar nicht mehr!” Verschiedene Einflüsse trugen zu dieser Entwicklung bei. Der wohl bedeutendste und wahrscheinlich entscheidende Auslöser für diesen Kulturverfall war eine Anordnung des Reichsleiters der NSDAP, Martin Bormann, am 3.1.1941 im Auftrage Adolf Hitlers. Darin wird die „sogenannte gotische Schrift” als „Schwabacher Judenlettern” bezeichnet; deshalb durfte von da an nur noch die (lateinische) Antiqua verwendet werden, die nun „Normal-Schrift” hieß.

Wir wissen heute, daß Adolf Hitler selbst dahinterstand, der schon auf dem Reichsparteitag von 1934 durch seine Ausfälle gegen die „gotische Schrift” seine Unkenntnis über Schrift und Schriftgeschichte und seine Gegnerschaft zur deutschen Schrift an den Tag gelegt hatte. Allein die Vermengung der Begriffe „gotisch”, „Schwabacher” und „Judenlettern” belegt, daß er schlecht unterrichtet war.

Aufgrund der Zwecklüge von den „Judenlettern”, die das Verbot erst durchsetzbar machte, verschwand die deutsche Schrift als Schreibschrift und im Frakturdruck aus Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Lehrplänen und Fibeln. Leider wurden nach 1945 bis heute weder in Deutschland noch in Österreich die gebrochenen Schriften in die Wiedergutmachung all dessen einbezogen, was im Nationalsozialismus beleidigt, mißbraucht, geächtet und verboten worden war.

Text von Helmut Delbanco (1990), überarbeitet von Christian Spremberg (1993)

Die deutschen Druckschriften im Vergleich:

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Deutsche Schreibschrift – was ist das?

Eine Frage, auf die man viele Antworten bekommen kann – und meist dazu noch ganz unterschiedliche.

„Das ist die Sütterlin, die wir noch in der Schule gelernt haben”, erzählen ältere Semester. Andere erklären, daß es sich um diese komische Schrift (wie hieß sie doch?) handelt, in der Urgroßmutter ihre Kochrezepte und Liebesbriefe verfaßt hat. Manche verweisen auf die „Kurrentschrift der NS-Zeit” und schließlich teilt uns jemand mit, daß es noch Bücher mit solchen „Lettern” gibt.

Was nun? Richtig? Falsch? Oder von beiden was?

Nun: „Deutsche Schreibschrift” ist mit der Zeit zum Oberbegriff für jene handschriftlichen Formen geworden, die – im Gegensatz zur lateinischen (Schreib-) Schrift – im deutschen Sprachraum eine vorwiegend eigenständige Entwicklung genommen haben. Blicken wir dazu gleich zurück bis ins 16. Jahrhundert.

Der von Gutenberg erfundene Druck mit beweglichen Lettern verbreitete sich rasch, aber für den Alltagsgebrauch war eine schnell schreibbare Handschrift notwendig, denn Gewerbe und Handel blühten. Das Lesen und Schreiben, bislang wenigen vorbehalten, wurde weiten Kreisen zugänglich. Eigene „Schreibmeister” vermittelten diese Kunst, und parallel zur Fraktur als Druck- und Urkundenschrift entstand eine Verkehrsschrift, die wir als den Beginn unserer heutigen deutschen Schreibschrift ansehen können. Diese „Kurrent” (von lat. currere = laufen) schrieb man mit der Rohr- oder Vogelkielfeder, die ein kräftiges Schriftbild ergaben.

Obwohl im 18. Jahrhundert die allgemeine Schulbildung immer weitere Verbreitung fand und Preußen 1741 die Schulschrift normte, deren nun spitzere Formen bald zum Vorbild wurden, war man noch weit von einer einheitlichen deutschen Schreibschrift entfernt. Zu unterschiedlich waren die Buchstaben – vor allem die großen.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts kam mit den neuartigen Stahlfedern auch ein neuer Stil aus England. Die großen Ober- und Unterlängen sowie die ausgeprägten Haar- und Schattenstriche erzeugten ein Schriftbild, das wir heute bewundern. Für Schreibanfänger war jedoch die Spitzfeder, die eine unnatürliche Handhaltung erfordert, eine Qual. So begannen um 1900 Pädagogen und Schriftkünstler nach besseren Lösungen zu suchen.

Ludwig Sütterlin war also nicht allein – aber die von ihm geschaffenen Formen haben sich durchgesetzt und wurden – mit Abwandlungen – von 1914 bis 1941 von Millionen Schülern gelernt.

Die „Sütterlin” stellte bewußt keinen Anspruch auf Schönheit und sollte nur die Grundlage für eine persönliche Handschrift sein. Die künstlerisch gestaltete und dabei gut schreibbare „Offenbacher Schrift” von Rudolf Koch konnte sich leider nicht durchsetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie in abgewandelter Form noch eine Zeitlang an einigen Schulen in Bayern als Zweitschrift gelehrt.

1935 wurde die Schulschrift (eine modifizierte Sütterlin) in Deutschland erstmals genormt, doch schon 1941 kam das zwangsweise Ende. Der geheime NS-Erlaß dürfte inzwischen kein Geheimnis mehr sein – daß er auch nach 1945 seine Wirkung fortsetzen konnte, ist ein anderes Kapitel.

Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen, aber unsere Schreibzukunft gestalten, indem wir aus dem reichen Schatz unserer Schriftentwicklung schöpfen. Deutsche Schreibschrift, das ist eine Vielzahl von Stilformen, geschrieben mit den verschiedensten Schreibwerkzeugen. Gerade dieser Vielfalt sollten wir uns bedienen, damit jeder von uns das für ihn Passende findet. Denn Schreiben soll schließlich Freude bereiten!

Text von Harald Süß (2005)